30.12.2013
Die Zeit ohne Supermarkt ist nun vorbei
In der Heinrich-Lübke-Siedlung sind jedoch nicht alle zufrieden: Ein Discounter wird vermisst. Seit Mitte Dezember hat die Heinrich-Lübke-Siedlung in Praunheim mit dem Rewe im neuen Quartierszentrum wieder einen Supermarkt. Für viele ältere Bewohner der Siedlung ist dies ein Segen.
„So lange ist das nun schon wieder her“, muss Dieter Schütz überlegen. Allzu entbehrungsreich empfanden er und seine Begleitung Maria Wende (59) die Zeit ohne einen Supermarkt in der Heinrich-Lübke-Siedlung gar nicht. Beide leben in Praunheim und haben von daheim aus ebenso weit bis zum Rewe in der Heerstraße wie zum eben erst eröffneten Rewe im neuen Quartierszentrum in der Heinrich-Lübke-Siedlung. Für andere war die Zeit ohne Supermarkt nur schwer erträglich.
Im Dezember 2008 hatte der dortige Plus-Markt geschlossen. Fast auf den Tag genau fünf Jahre später hat dort der neue Rewe mit einer Verkaufsfläche von 900 Quadratmetern, einem 30-köpfigen Team, einer Tiefgarage mit 50 Parkplätzen sowie einer Auswahl von 12 000 Artikeln eröffnet.
Gute Leberkäs-Brötchen
Dieter Schütz und Maria Wende schätzen zwar die „sinnvolle Ergänzung des Nahversorgungs-Angebots“, die Rewe biete, aber: „Eigentlich geht es uns dort meist nur um die Leberkäs-Brötchen für einen Euro, die sind unvergleichlich. Großeinkäufe kommen für uns dort eher nicht in Frage.“
Andere schätzen die kurzen Wege: Hildegard Maier (66) hat zwar ein Auto. Aber für schnelle Erledigungen braucht sie es nun nicht mehr: „Für manche Sachen musste man in den fünf Jahren eben in die Nordweststadt fahren. Das hat sich nun erledigt.“ Sie freut sich für die älteren Menschen in der Siedlung: „Meine beiden Nachbarinnen zum Beispiel haben kein Auto und waren ohne einen Supermarkt immer darauf angewiesen, dass sie jemand mitnimmt oder ihnen Sachen besorgt.“ Viele Bewohner der Heinrich-Lübke-Siedlung seien zu alt, um weite Wege mit schweren Einkaufstaschen zurückzulegen. Nicht jeder kann die 5,20 Euro ausgeben für eine Busfahrt zum Supermarkt und zurück. Aus Sicht von Hildegard Maier ist der neue Rewe daher vor allem für die vielen Menschen in der Siedlung eine Bereicherung, die jeden Cent zweimal umdrehen müssten.
Ein anderer Kunde kann dem nicht zustimmen und zeigt zur Beweisführung seinen Kassenzettel vom gestrigen Einkauf beim Aldi: „75 Euro habe ich dort ausgegeben. Hätte ich all dies beim Rewe gekauft, wären mit Sicherheit 150 Euro fällig gewesen.“ Er kauft nur das bei Rewe, was er bei Aldi, Netto oder Lidl nicht findet.
Angebote locken
So hält es auch Maria Wittmann, die gerade nur deshalb in den Rewe geht, weil es Suppenfleisch im Angebot gibt. Sie erzählt von Plänen, die einst vorsahen, schräg gegenüber dem neuen Rewe auf der anderen Seite der Ludwig-Landmann-Straße einen Discounter zu bauen. „Den braucht es hier noch immer“, so Wittmann. Neben dem Suppenfleisch erfüllt der Rewe für sie jedoch noch einen ganz anderen, sozialen Zweck in der Heinrich-Lübke-Siedlung: „Der Platz davor dient uns als eine Art Begegnungsstätte. Man trifft dort wieder Leute, die man lange nicht gesehen hat und kann sich darüber unterhalten, wie es einem geht.“ Außerdem bringe der Rewe auch die anderen Geschäfte in der gegenüberliegenden Ladenzeile mehr Laufkundschaft.
Vor drei Jahren hatte der städtische Wohnkonzern ABG Frankfurt Holding mit der 113 Millionen Euro teuren Sanierung der Heinrich-Lübke-Siedlung begonnen; 605 Wohnungen mussten modernisiert werden, im Februar beginnen die Arbeiten im letzten der fünf Höfe. Ende 2015 soll die Sanierung abgeschlossen sein und die Siedlung, in der seit den 1970er Jahren 2000 Menschen leben, in neuem Glanz erstrahlen.
Im Zuge der Sanierung entstand das neue Quartierszentrum mit dem Rewe-Markt, einer Apotheke, einer Änderungsschneiderei und einem Friseur. Zwei Ladenlokale stehen noch leer. Mit 1300 Quadratmetern ist die Ladenfläche im neuen Quartierszentrum doppelt so groß wie im alten. Zwischen den Gebäuden erstreckt sich der großzügig angelegte Platz mit Freitreppe, der das neue Tor zur Siedlung bildet und das Quartier zum Stadtteil hin öffnen soll.
(Benni Kilb)
Artikel Frankfurter Neue Presse vom 30.12.2013
zurück
|