02.04.2019
Wo die sieben Kräuter wachsen
Schüler lernen auf den Feldern die Zutaten der Grüne Soße kennen. Oberräder Gärtner kämpfen mit immer mehr Problemen beim Anbau der Kräuter für das Traditionsgericht.
Mit ein bisschen Hilfe kann Jeremy alle sieben Kräuter aufsagen, die in die Frankfurter Grüne Soße gehören. Nur bei der Pimpernelle hapert die Aussprache noch ein wenig. Die Viertklässler der Ebelfeldschule aus Praunheim lernen zum Auftakt der Saison am Ort des Entstehens, wie die Kräuter angebaut werden, aber auch wie die traditionsreiche Soße zubereitet wird.
In einem Gewächshaus der „Kooperative“ in den Feldern Oberrads schnippeln die Schüler gemeinsam Borretsch, Kerbel, Kresse, Petersilie, Pimpinelle, Sauerampfer und Schnittlauch. Diese stammen allerdings vom Nachbarn, der Solidarischen Landwirtschaft Maingrün. Anschließend rühren sie das Grünzeug mit Schmand, Ei und Senf zum Frankfurter Nationalgericht zusammen.
Im Klassenzimmer könne man schlechter vermitteln, wo die Nahrungsmittel herkommen, sagt Lehrerin Ulla Hieronymi. „Die Schüler können hier probieren, schmecken, riechen.“ Das sei viel besser, als nur Fotos zu zeigen. Und den Schülern schmeckt die Grüne Soße, die sie selbst zubereitet haben richtig gut. Die dick bestrichenen Weißbrotscheiben sind im Nu vergriffen.
Das Projekt „Sieben Tage, sieben Kräuter“ im Grün-Gürtel lässt seit 13 Jahren jeweils sieben Klassen regionale Landwirtschaft hautnah erleben, sagt Barbara Clemenz vom Verein Umweltlernen Frankfurt, der das Angebot entwickelt hat. Außerdem, was saisonale Lebensmittel mit unseren Klima zu tun haben. Bewusst seien für das Programm zwei Betriebe ausgesucht worden, die natur- und landwirtschaftsverträglich kooperativen Gartenbau im Grüngürtel betreiben, sagt Clemenz.
Die Kooperative ist erst im März so richtig in das Oberräder Gärtnerdorf eingezogen. Die Genossenschaft hatte die Fläche vom Verein der Frankfurter Beschäftigungsbetriebe (FBB) übernommen. Die integrative Gärtnerei hatte den Bärengarten aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben müssen. Vorher besaßen die solidarischen Landwirte einige Hektar wenige Meter entfernt, auch der Quellenhof in Steinbach gehört ihnen. Nun produzieren sie für ihre Mitglieder Gemüse, Obst, Eier, Saft und Brot. Und das kommt gut an. „Die Leute wollen wissen, woher ihr Essen kommt“, sagt Christoph Graul, einer der Gründer. Und endlich seien sie ganz nah an ihren Mitgliedern.
Doch die Gärtnereibetriebe mitten in der Stadt kämpfen auch mit einigen Problemen: Diebstahl, Nilgänse, Spaziergänger, die auf die Felder laufen und Müll hinterlassen, sowie militante Hundebesitzer, die ihre Vierbeiner frei rennen lassen. Letztes Jahr seien aus dem Gewächshaus Gurken und Tomaten in großem Stil gestohlen worden, sagt Graul. Falls das wieder passiere, müsse man sich etwas überlegen. Er plädiert aber dafür, mehr aufeinander zuzugehen und die Bedürfnisse der Naherholenden und Hundebesitzer Ernst zu nehmen. Etwa indem man am Rand der Felder den Hunden Platz lasse.
Gärtner Rainer Schecker sieht das Ganze etwas ernster. Der Gärtnermeister verkauft seine Kräuter für die Grüne Soße in seinem Hofladen in Oberrad und auf Wochenmärkten. Während sie die Nilgänseproblematik weitestgehend im Griff hätten, gebe es genug andere Schwierigkeiten. Vandalismus etwa, Scheiben der Gewächshäuser werden zerschlagen und mit Graffiti besprüht, so dass kein Licht mehr hereinkommt. Aber vor allem ärgern Schecker die Menschen, die keine Rücksicht nehmen, dass dort ein schützenswertes Lebensmittel angebaut werden. Er sei immer wieder erstaunt, wie uneinsichtig viele Spaziergänger und Hundehalter seien, wenn man sie darauf anspreche. „Schilder helfen auch nicht weiter.“
Als Konsequenz hat Schecker seine Felder nun eingezäunt. „Das ist schade und bedeutet natürlich auch Riesenkosten und einen Riesenaufwand.“ Auch helfen sie nicht gegen alles. Früher habe es einen Feldschutz gegeben. So einen wünscht er sich wieder, „der sollte hier regelmäßig zu unterschiedlichen Zeiten kontrollieren“. Die Gärtner allein könnten das nicht leisten. Doch das Ordnungsamt hatte schon signalisiert, dass das schwierig sei. Auch einen Runden Tisch mit Gärtnern und Vertretern aus der Politik fände Schecker sinnvoll. Denn der wirtschaftliche Schaden sei jetzt schon groß. Es müsse etwas passieren, wenn dort weiter Grüne Soße angebaut werden soll.
Artikel Frankfurter Rundschau, vom 02.04.2019.
Von Judith Köneke
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