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20.12.2004

Figuren erzählen Geschichten

In der Wicherngemeinde führen gesichtslose Wesen durch das Kirchenjahr

Recht eigen ist die Krippe der Wicherngemeinde. Nicht nur, dass die Gemeindemitglieder die ausgestellten Protagonisten selbst gebastelt haben, es fehlt der vorweihnachtlichen Darstellung in diesem Jahr auch noch die Figur des Christus-Kindes. Stattdessen sitzen in der ersten Szene ein paar Hirten ums Feuer und ein Ehepaar wandert auf eine Herberge zu. Erst im vierten und letzten Akt, hinter einem römischen Legionär, der ein Stadttor Jerusalems bewacht, findet sich der erste Hinweis auf die Weihnachtsgeschichte: Die heiligen drei Könige wandern mit Geschenken beladen wie geheißen einem Stern mit Schweif hinterher.

«Bei uns sind Maria und Joseph noch auf dem Weg nach Bethlehem», erläutert Brigitte Burkholz, Kirchenvorstand der Gemeinde, die ungewöhnliche Darstellung. Denn die Weihnachtsgeschichte besagt, dass der römische Kaiser Augustus zur Zeit der Geburt Jesu im gelobten Land eine Volkszählung durchführen ließ, weshalb ein jeder in seine Stadt zurückkehren musste. Unauffällig in der Krippe platziert, führt Joseph gerade die auf einem Esel reitende Maria zu einer Unterkunft in seiner Heimatstadt Bethlehem.

Die Ausstellung der biblischen Erzählung fand bei den Gemeindemitgliedern große Resonanz. Bereits nach dem Familiengottesdienst am Morgen drängten sich rund 25 Kinder und ihre 20 Begleiter um die Figuren. Wenig verlocken konnten da Kaffee und Kuchen. Nach dem Gottesdienst der Erwachsenen am Nachmittag scharten sich nochmals knapp 40 Begeisterte um die Ausstellung.

Die traditionelle Szene der Geburt Jesu, des Kindes in der Wiege, der Stalltiere und der um die Familie herum stehenden Bewunderer wird erst in den kommenden Tagen aufgebaut. Die Darstellung müsse für die zahlreich erwarteten Besucher zum Weihnachtsgottesdienst ohnehin umgestaltet und deutlich verkleinert werden. Passend zur Weihnachtsgeschichte wird also erst an Heiligabend die Figur Jesu die Krippe bereichern.

Die Figuren haben zwölf Frauen der Gemeinde vor drei Jahren in Gemeinschaftsarbeit selbst gebastelt. Unter Anleitung zweier Schweizer Künstler lernte die Gruppe, mit Sisal umwobenen biegsamen Draht so mit Stoffen zu umwickeln, dass Erwachsene, Kinder, Männer und Frauen unterscheidbar wurden. Für einen besseren Halt bekamen die Stoff-Protagonisten Blei an die Füße gehängt. «Das ist alles nicht besonders schwer, aber doch sehr aufwendig», erinnert sich Brigitte Burkholz an das Bastelwochenende.

Ungewöhnlich ist, dass die Figuren keine Gesichter haben. «Dadurch sind sie vielseitiger», erläutert die Kirchenvorsteherin die Entscheidung. Mit einem Lächeln wären sie sehr eingeschränkt einsetzbar, ohne Gesichtszüge können die Figuren über die Körperhaltung jedoch vielerlei Gemütsregungen zeigen. Auch helfe die Abstraktion, sie für die Darstellung einer Vielfalt von biblischen Geschichten zu nutzen. Die Gesichtslosigkeit sei lediglich eine Sache der Gewöhnung, sagt Frau Burkholz. «Wenn man länger mit den Figuren arbeitet, fällt das überhaupt nicht mehr auf.»

Nach Weihnachten werden die 14 Drahtkörper neu eingekleidet und umfrisiert. Die nächste Ausstellung im Eingang der Wicherngemeinde ist bereits in Vorbereitung. «Wir wollen unsere Reihe des vergangenen Jahres mit biblischen Frauengestalten auch im kommenden Jahr fortsetzen.» Bald ist die wenig bekannte Geschichte der Hure Rahab zu sehen, bis an Ostern die Auferstehungsgeschichte auf die Dekorateure wartet.» (gin)




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