12.08.2005
Fidele Damen trotzen ihrer Behinderung mit Humor
Wenn Anni Taschner ihre Freundinnen beim Stammtisch «Die fidelen Zehn» trifft, gibt es viel zu erzählen:
Denn die einen haben einen Ausflug nach Gernsheim gemacht, die anderen gar ein paar Tage Urlaub in Brandenburg verbracht. Unter ihnen auch Anni Taschner: «Das Pflaster in Neuruppin ist wirklich unvergesslich», erinnert sie sich. Zumal dann, wenn man auf vier Rädern darüber rollen muss.
Dabei scheint in der fröhlichen Runde fast vergessen, dass Frau Taschner wie die Mehrzahl ihrer Freundinnen auf den Rollstuhl angewiesen ist. Denn die fidelen Zehn sind ein Stammtisch von behinderten und schwer behinderten Seniorinnen, die dem Verein «Behindertenselbsthilfe-Fraternität» in Frankfurt angehören und sich jeden zweiten Dienstag im Monat in Schuchs Restaurant zum geselligen Austausch treffen. Und natürlich, um Pläne für neue gemeinsame Unternehmungen zu schmieden.
Die Fraternität ist ein Verein, der ähnlich den Fahrdiensten des Roten Kreuzes den Transport für behinderte Menschen organisiert, dabei fast ausschließlich von Spenden und Mitgliedsbeiträgen lebt. Aus diesen Reihen haben sich die fidelen Zehn vor sieben Jahren gegründet. «Wir saßen in einem Bus auf der Rückfahrt von einem Ausflug, als plötzlich eine von uns fragte, warum es zwar einen Herren-, aber keinen Damenstammtisch gibt», erinnert sich Vera Hirmer, Organisatorin und Gründerin.
Gesagt, getan: Erst trafen sich die Frauen nur sporadisch, dann einigten sie sich auf den zweiten Dienstag im Monat im überdachten Apfelweingarten der Familie Schuch. Aus gutem Grund: «Hier gibt es ausreichend Platz, und hier sind die Toiletten behindertengerecht», stellt Vera Hirmer fest. Das sei längst nicht überall selbstverständlich, sehr wohl aber in dieser Lokalität, da sich der Inhaber für Behinderte engagiere.
Immer wieder erzählen sich die Damen Geschichten aus dem Alltag, tragen auch mal etwas zur Erheiterung der Gesellschaft bei. Zwischendurch erzählt eine Teilnehmerin von einem Geschäft, in dem der Einkauf für behinderte Menschen eher schwer fällt. Erfahrungen, die sich aber in Grenzen halten: «Wir wollen ja nicht nur über unsere Krankheiten reden. Es gibt genug anderes zu erzählen», betont Anni Taschner. Da ist Marianne Schaffner eher eine Ausnahme, wenn sie von ihrem Parkinson erzählt und der Selbsthilfegruppe für Parkinson-Kranke, die sie vor zehn Jahren geleitet hat.
Dafür staunt der auswärtige Besucher, was die fidelen Damen beim Stammtisch so alles planen, um sich fit zu halten. So gehört etwa der Tanztee in Bad Homburg zu den festen Veranstaltungen in der Runde. «Auch mit Rollstuhl kann man sich sehr wohl auf die Tanzfläche begeben, die Melodie und den Rhythmus mit den Armen nachempfinden», erklärt Vera Hirmer. Fast alles geht für Behinderte, zumindest mit der Unterstützung von freundlichen Helfern.
Die sind freilich auch im Einsatz, wenn es darum geht, die Damen zum Stammtisch zu fahren. So holen die Fahrer der Fraternität die Teilnehmerinnen mit Kleinbussen aus allen Teilen Frankfurts ab, fahren sie hinterher wieder zurück. Sofern nötig, setzen sich die Hilfskräfte auch mit an den Stammtisch. «Viele unserer Damen können aber beim Essen auch ohne Hilfe auskommen. Und diese Erfahrung ist wichtig», erklärt Frau Hirmer. Außerdem solle es an der Tafel auch nicht zu voll werden. So gesehen ist die Zahl zehn wörtlich zu nehmen: «Bei mehr Leuten wird es mit der Kommunikation schwierig.» Nur wenn eine der festen Teilnehmerinnen einmal verhindert sei, könne eine andere Interessentin nachrücken.
Allerdings wird die Liste der interessierten behinderten Seniorinnen immer länger. «Nicht auszuschließen, dass wir bald einen zweiten Stammtisch gründen», sagt Vera Hirmer und schmunzelt: «Dann allerdings habe ich mit der Organisation noch mehr Arbeit.»
Von Gernot Gottwals
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