07.10.2005
Experten blicken in die Zukunft
150 Jahre Liebigschule, mit einer Podiumsdiskussion beendete das Gymnasium die Feierlichkeiten.
Doch zurückblicken wollte die Schule dabei nicht, sondern hatte die Zukunft im Visier: Zum Thema «Herausforderungen des 21. Jahrhunderts – Reflexionen für eine Kultur der Verantwortung» debattierten Schüler mit Akteuren des öffentlichen Lebens über gesellschaftspolitische Fragen.
Unter der Leitung von Alf Haubitz (HR) nahmen sich Katja Maurer von der Hilfsorganisation «medico international», der Jesuit und Wirtschaftsethiker Friedhelm Hengsbach sowie die amerikanische Friedensaktivistin Silvia Tennenbaum des Themas an. Mit dabei waren ebenso der Vorsitzende der Ausländerbeirate in Hessen, Manuel Parrondo, der Journalist Matthias Arning sowie Anne Juliane Alke, die die Liebigschule im Stadtschülerrat vertritt.
In ihren Beiträgen unterstrichen alle Diskussionsteilnehmer die eigene Verantwortung. Friedhelm Hengsbach beispielsweise betonte, dass in der heutigen Zeit von jedem Einzelnen mehr Engagement erwartet würde, da sich die einzelnen Interessengruppen in Zukunft weiter aus der Verantwortung ziehen würden. Im Hinblick auf die derzeitigen Koalitionsverhandlungen in Berlin sagte er, dass seiner Ansicht nach beide großen Volksparteien umdenken müssten. «Sowohl Schröder und seine Agenda sind abgewählt worden, als auch das Programm der CDU. Durch die ganzen Diskussionen vergessen wir, was wirklich wichtig ist, nämlich ein für alle Menschen verträglicher Sozialstaat. Dieser ist in jedem Fall finanzierbar, solange diese Gesellschaft so reich ist, wie sie momentan noch ist», betonte Hengsbach.
Silvia Tennenbaum kritisierte die derzeitige Informationspolitik internationaler Medien, hier insbesondere das amerikanische Fernsehen. Sie selbst war Ende der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts mit ihrer Familie vor dem Nationalsozialismus in die USA emigriert. «Bush verändert unser System zum Negativen. Die religiöse Rechte wird immer stärker. In den Vereinigten Staaten haben weder die Gewerkschaften noch linksintellektuelle oder systemkritische Publizisten eine Stimme, wie man als objektiver Mensch während des Hurrikans Katrina feststellen konnte.»
Katja Maurer berichtete, dass es ihrer Hilfsorganisation besonders wichtig sei, ganz konkrete Hilfestellungen in den Krisenregionen dieser Welt zu leisten. Da man im Hinblick auf die Nachhaltigkeit der Hilfsmaßnahmen auch zielgerichtet arbeiten wolle, schicke man nach Israel und in die Westbank nicht einfach deutsche Ärzte, sondern versuche, in einem Kooperationsprojekt Palästinenser und Israelis zu gemeinsamen Hilfsaktionen zu bewegen. «Wir wollen zeigen, dass über die Mauern des Konflikts hinweg, ein ordentliches Zusammenleben beider Volksgruppen möglich ist.»
Anne Alke beschrieb aus Sicht einer engagierten Schülerin, wie der Stadtschülerrat erfolgreich Demonstrationen gegen die Abschiebepraxis organisierte und somit verantwortungsbewusstes Handeln vorantreiben würde. Mit Hilfe einer Journalistin sei es sogar gelungen, die Ausweisung einer Familie erst einmal bei der Ausländerbehörde aufschieben zu lassen.
Migrationsexperte Manuel Parrondo betonte, dass es nicht nur Aufgabe des ausländischen Mitbürgers sei, sich zu integrieren, sondern, dass die Gesellschaft endlich Möglichkeiten und Wege zu schaffen habe, damit einem friedlichen Miteinander nichts mehr im Wege stehe. «Deutsch- und Integrationskurse hätte es schon vor 30 Jahren geben müssen, dann wären wir heute an einem ganz anderen Punkt.» (pcb)
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