18.10.2005
Warum der VdK wieder mehr Menschen erreicht
Praunheim. Das diesjährige Herbstfest des Ortsverbandes Praunheim/Römerstadt des Sozialverbandes VdK stand unter einem gleichsam einfachen wie überzeugenden Motto:
Es ging ums Zusammensein und ums Fortbestehen. «Als ich 1987 den Vorsitz des Vorstandes übernommen habe, hatte die Ortsgruppe 118 Mitglieder», erinnert sich Heinrich Kraus. «Mittlerweile sind es 401 Mitglieder, Austritte gibt es so gut wie keine.» Die Mitglieder des VdK würden im sprichwörtlichen Sinne tatsächlich eher sterben.
«Das durchschnittliche Eintrittsalter unserer Mitglieder liegt so bei 60», erklärt der Vorsitzende. Das jüngste Mitglied sei gerade mal zehn Jahre alt, allerdings sei es bereits krank auf die Welt gekommen. Der Sozialverband VdK vertritt die Rechtsansprüche behinderter Menschen, sowohl vor dem Arbeitgeber als auch vor dem Staat. Und so würden die meisten in den Verband eintreten, wenn sie Hilfe brauchten oder ihnen die altersbedingte Verletzlichkeit bewusst werde.Auf dem Herbstfest allerdings ist von Verletzlichkeit, Altersgebrechen oder Einschränkungen gleich welcher Art wenig zu merken. Nicht, weil es keine gibt, sondern weil die Stimmung so gut ist. Ein Disc-Jockey unterhält die rund 80 Gäste mit Volksmusik, für Kaffee, Kuchen und Sekt ist gesorgt, und ein anregendes Nachmittagsprogramm soll die ohnehin schon munteren Senioren noch zusätzlich erheitern. «Das durfte natürlich nichts kosten», sagt Heinrich Kraus. Der jährliche Mitgliedsbeitrag von 42 Euro sei den drei Anwälten vorbehalten, die in der Kreiszentrale Frankfurt die Mitglieder vertreten.
Das Programm klingt trotz Kosteneinsparung viel versprechend. Eine echt bayerische Tanzgruppe tritt auf. Daneben grüßt Schiller das Publikum: Martin Hohn und Gattin Gisela Sammt von der Agentur Archidee – Agentur experimenteller Archäologie und museumspädagogischer Veranstaltungen – werden die Ballade den ‚Handschuh’ vortragen. «Normalerweise veranstalten wir Events für Schulklassen und Firmen und binden das Publikum ein», sagt Martin Hohn. Das werden die beiden auch heute tun, vielleicht weniger sportlich als sonst, aber trotzdem lustig. Das Paar ist bewaffnet mit den entsprechenden Gewändern: Alle Charaktere der Ballade werden als Rollen an das Publikum verteilt, einschließlich der 20 Musiker aus dem Mittelalter, für die Instrumente aus der Zeit bereitstehen. Später beim dem möglichst pathetischen Vortrag der Ballade müssen dann alle kräftig mitspielen. Das verspräche eine sehr lebhafte Angelegenheit zu werden.
Ende der 80er Jahre hingegen sei der Ortsverband letztlich nur noch ein totes Gerüst gewesen, erinnert sich Kraus. Den Versuch, dem Gebilde wieder Leben einzuhauchen, habe er vor gut 15 Jahren mit einem Sommerfest gestartet. Nach und nach habe man dann Feste zu jeden Jahreszeiten gefeiert. «Auch Wanderungen und Ausflüge gehören zum Programm des Ortsverbandes. Die Veranstaltungen stehen auch Nicht-Mitgliedern offen.» Inzwischen gebe es unter den Mitgliedern auch viele, die die Leistungen des Sozialverbandes noch nie in Anspruch genommen haben. Diese rege Partizipation am Verband wertet Kraus als einen Erfolg: Dem VdK sei es gelungen, seinen Sozialauftrag zeitgemäß umzudeuten. «Der Sozialverband wurde 1948 mit Unterstützung durch die Arbeiterwohlfahrt gegründet. VdK steht für ‚Verband deutscher Kriegsbeschädigter’. In der Nachkriegszeit waren das Versehrte, Witwen und Waisen. Im Ortsverband gebe es aktuell noch 43 Hinterbliebene aus dieser Zeit.
Damals schon sei es schwer gewesen, die Ansprüche der Kriegsbeschädigten gegenüber dem Staat durchzusetzen. Die Institutionen hatten sich erst gegründet, die Zuständigkeiten waren noch nicht gänzlich geklärt und Geld gab es auch nicht. Eben hier sieht Heinrich Kraus die Parallele zwischen Gründungszeit und den heutigen gesellschaftlichen Problemen. Wenn jemandem heute nach einem Bandscheibenvorfall oder einer Brustkrebsoperation eine 40-prozentige Behinderung attestiert werde, drohten ihm Kündigung, Probleme mit der Wiederanstellung bekommt und Kürzung der Rentenansprüche. In diesem Fall werde der Sozialverband aktiv, vor dem Versorgungsamt und dem Arbeitgeber.
In zunehmenden Maße erfülle der Verband aber auch allgemeinere gemeinnützige Funktionen. So habe sich etwa in der Zentrale von Kreis- und Bezirksverband in der Ostparkstraße eine Demenzgruppe gegründet, wo Menschen zu bestimmten Zeiten betreut und den Angehörigen eine Verschnaufpause verschafft werden. (kim)
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