13.12.2005
Millionenloch bei der Müllgebühr
Städtisches Personal völlig überlastet / Bürger verweigern Zahlung / 3000 Widersprüche gegen neue Satzung
Einige Tausend Haus- und Grundstücksbe-sitzer müssen Anfang 2006 mit Mahnschreiben aus dem Römer rechnen. Sie haben bis jetzt die Fragebögen nicht beantwortet,
die im Frühjahr 2005 von der Stadt zur Einführung der neuen Gebührenordnung bei der Müllabfuhr verschickt worden waren.
Frankfurt · Die fehlenden Daten, aber auch die völlige Überlastung des zuständigen städtischen Personals sind nur zwei Gründe dafür, dass die Kommune bei der Müllabfuhr 2005 deutlich weniger an Gebühren einnehmen wird als kalkuliert. Peter Heine, der Leiter des städtischen Kassen- und Steueramtes, nannte am Montag im Gespräch mit der FR Zahlen. Von 108 Millionen Euro veranschlagter Müllgebühr waren Ende Oktober erst rund 73 Millionen Euro in der Stadtkasse eingegangen. Bis zum 31. Dezember, so Heine, sei maximal mit 100 Millionen Euro zu rechnen. Das heißt: Im städtischen Etat klafft ein neuer Fehlbetrag von mindestens acht Millionen Euro.
Die Summe kann freilich noch wachsen, denn Heine gestand freimütig ein: Bis heute weiß die Stadt überhaupt nicht, wie viele der rund 65 000 Müllgebühren-Zahler kein Geld überwiesen haben. „Die Datenbestände konnten noch nicht aufgearbeitet werden“, so der Amtsleiter. Das zuständige Personal sei völlig überlastet. Für den gesamten Bereich der Straßenreinigungs- und der Müllgebühr gebe es im Kassen-und Steueramt trotz mittlerweile eingetroffener „Verstärkung“ nur 15 Mitarbeiter.
Viele Pannen und Proteste
auch bei Straßenreinigungsgebühr
Zum 1. Januar 2005 waren zeitgleich neue städtische Gebührenordnungen für Müllabfuhr und Straßenreinigung in Kraft getreten. Am 2. Juni hatte Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) Umweltdezernentin Jutta Ebeling (Grüne) die Zuständigkeit für beide Themen entzogen. Neu verantwortlich wurde das Kassen- und Steueramt mit Heine an der Spitze. Die offizielle Begründung waren viele Pannen und Proteste bei der neuen Straßenreinigungsgebühr gewesen. Mittlerweile haben die Kommunalpolitiker des Römer-Bündnisses die alte Straßenreinigungssatzung vom 27. Februar 1992 wieder in Kraft gesetzt. Die Folge des Durcheinanders: Bis Ende des Jahres werden weitere neun Millionen Euro an Straßenreinigungsgebühr in der Stadtkasse fehlen. Um das Chaos bei der Straßenreinigung aufzuarbeiten, gab Heine, wie er gestern sagte, im Amt die Parole aus: „Der Müll muss warten!“
Mittlerweile ist freilich auch bei den Müllgebühren die Problemlast gewachsen. Nach den Angaben des Amtsleiters gibt es alleine 3000 Widersprüche von Haus-und Grundstücksbesitzern gegen die neue Gebührenordnung. Diese „Verweigerer“ (Heine) haben mutmaßlich nicht gezahlt, was aber nur einen Teil der Millionenausfälle bei den Einnahmen erklärt. Der Amtsleiter hat inzwischen herausgefunden, dass „viele Adressdaten nicht stimmen“, so dass viele Gebührenbescheide nicht zugestellt werden konnten. Es wird aber auch vermutet, dass Bürger die neue Gebührenordnung nicht verstanden haben. Mit der neuen Satzung war zum ersten Mal eine Grundgebühr eingeführt worden. Darüber hinaus gibt es aber auch noch Zahlungen, die sich auf bestimmte Müllmengen beziehen.
Sobald das Kassen- und Steueramt abschließend festgestellt hat, wie viele Bürger bisher aus welchen Gründen keine Müllgebühren zahlen, sollen im Jahr 2006 Mahnschreiben der Stadt an alle herausgehen. Heine hält aber schon jetzt eines für unabdingbar: „Wir brauchen dauerhaft mehr Personal!“ Zusätzliche Aufgaben, wie sie das Kassen- und Steueramt jetzt auf Weisung der OB übernommen habe, seien ohne zusätzliche Mitarbeiter nicht zu bewältigen.
Die Müll-und die Straßenreinigungsgebühren sind, wie der jüngste Controlling-Bericht von Kämmerer Horst Hemzal (CDU) zeigt, nicht die einzigen Probleme bei den Finanzen der Stadt. Hemzal gibt zu, dass er die Auflage von Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU), jährlich mindestens zwei Prozent des städtischen Personals abzubauen, nicht erfüllen kann. Bis zum Ende des dritten Quartals konnten nur rund 65 Stellen in der Stadtverwaltung eingespart werden. Am 30. September gab es im Bereich der engeren Stadtverwaltung (ohne Eigenbetriebe und städtische Gesellschaften) genau 9852 Beschäftigte auf tatsächlich besetzten Planstellen.
Die Ausgaben der Stadt für Sozialhilfe, Jugendhilfe und die Grundsicherung der Menschen im Alter liegen „teilweise deutlich über den Veranschlagungen“. Bei der Jugendhilfe musste die Kommune mehr Geld für die Hilfe zur Erziehung, die Eingliederung seelisch behinderter Kinder und die Hilfen für Volljährige ausgeben. Bei den alten Menschen, die auf die Zahlung von Grundsicherung angewiesen sind, stieg die Zahl von 5438 im Jahre 2004 auf aktuell 7662 – hier war laut Hemzal „der Datenbestand bereinigt“ worden. Claus-Jürgen Göpfert
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