19.07.2007
SPD wandelt auf den Spuren des Widerstands
Heute trifft man sich in „Schuchs Restaurant“ zum Kosten von Spezialitäten rund um den Apfel.
Doch in den Jahren nach Hitlers Machtübernahme 1933 waren die Gaumenfreuden im „Bender-Schuch“ für neun mutige Praunheimer nur Beiwerk: Die Gruppe um den Sozialdemokraten Albrecht Ege setzte sich dort – getarnt als Skatrunde – regelmäßig zusammen, um sich gegen das Nazi-Regime zu organisieren, geheime Botschaften auszutauschen und der Gleichschaltung Widerstand zu leisten. Sie wurde denunziert und die Mitglieder verhaftet. Nach den mutigen Männern benannte Straßen, ein Denkmal auf dem Westhausener Friedhof und die früheren Wohnhäuser zeugen von ihren Taten.
„Die Skatrunde war den Nazis ein Dorn im Auge“, sagt Ursula Busch, Stadtverordnete und Vorsitzende der SPD Praunheim/Westhausen und blickt nachdenklich auf das Grab Albrecht Eges auf dem Westhausener Friedhof. Der Kopf der Gruppe wurde als einziger Teilnehmer der Skatrunde zum Tode verurteilt. 1878 in Frankfurt geboren und gelernter Zimmerer, trat er 1904 in die SPD ein und engagierte sich in der Gewerkschaft. „Obwohl er als Geschäftsführer der Gemeinnützigen Wohnungsbau AG in Hessen noch im April 1933 in den Bauausschuss des Stadtparlaments gewählt wurde, wurde er als Gewerkschafter kurz darauf verhaftet und wahrscheinlich misshandelt.“ Am 5. November 1935 wurde er erneut inhaftiert: Er hatte „illegale Druckschriften“ verteilt und politischen Flüchtlingen in seiner Wohnung Unterschlupf gewährt. „Sein Unglück war, dass er vorbestraft war – und dass er prominent war“, meint Ursula Busch. „Die Nazis wollten an ihm ein Exempel statuieren.“ Als am 22. Juni 1942 die vermeintliche Skatrunde geschlossen von der Gestapo verhaftet wurde, galt Ege als Hochverräter. In der Anklageschrift wird ihm vorgeworfen, Auslandssender nicht nur gehört, sondern „zum Zwecke der Vorbereitung eines gewaltsamen Umsturzes“ verbreitet zu haben. Am 23. Januar 1943 wurde Ege im Strafgefängnis Preungesheim enthauptet, selbst seine Leiche wurde beschlagnahmt und zu Forschungszwecken verwendet.
Mit ihm angeklagt wurden die Sozialdemokraten Johann Hofmann, Heinrich Wündisch, August Kaiser, Friedrich Emden-Winterling, Ludwig Sauder und Emil Bundschuh, außerdem die beiden Kommunisten Leonhard Röckl und Hugo Manthey. Der zweite Prominente der Runde, Hofmann, wohnte im Togoweg 90, der heutigen Ege-Straße. Die altertümlichen Wäscheständer vor dem Haus erinnern noch an seine Zeit. „Was die Nazis ihm vorzuwerfen hatten, waren vor allem Vorschläge, wie man Menschen vom Regime wegbringen kann. Er hat zum Beispiel erzählt, dass er seine Tochter vom BDM ferngehalten hat, indem die Familie ihr immer spannendere Ausflüge anbot als die Nazis“, sagt Hans-Jürgen Sasse. Was ihm vor allem vorgeworfen wurde, war die Herstellung der Verbindung zu den beiden Kommunisten. „Sie hatten Angst, dass eine sozialistische Einheitsfront aufgebaut würde“, meint Ursula Busch. Johann Hofmann wurde zu acht Jahren Haft verurteilt – „wobei Haft im KZ ohne Verhandlung jederzeit fortgesetzt werden konnte“.
Auch die Häuser von Heinrich Wündisch und Friedrich Winterling-Emden, Pützerstraße 48 und 40, stehen noch. Beiden wird in der Anklageschrift nicht viel mehr vorgeworfen als „der Besitz marxistischer Bücher“ und „Teilnahme an der Beerdigung von Genossen“. Dennoch erhielten sie sechs bzw. zwei Jahre Zuchthaus. Kaiser und Sauder wurden ebenfalls zu zwei Jahren verurteilt, Röckl und Manthey wegen Vorbestrafung zu jeweils acht Jahren. Einzig Emil Bundschuh, dem nichts nachgewiesen werden konnte, wurde freigesprochen.
Wer die Gruppe denunziert hat? „Einige vermuten, dass ein Kellner die Runde ausspioniert hat. Andere meinen, es sei jemand aus den eigenen Reihen gewesen“, sagt Ursula Busch. „Derjenige, der von den Nazis als Spitzel genannt wurde, war es jedenfalls nicht“, fügt Hans-Jürgen Sasse hinzu. In Schuchs Restaurant trinken die Gäste heute Apfelwein. Einige spielen Skat. (pio)
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