26.03.2008
Ansichtssache / Vorrang für die Zentren
In der Theorie sind sich alle einig: Der Einzelhandel in der City und in den Stadtteilen muss gestärkt, die Nahversorgung gesichert, eine Verödung der Zentren verhindert werden. Seit mittlerweile fünf Jahren lassen Stadt, Einzelhandelsverband sowie Industrie- und Handelskammer Konzepte dazu erstellen.
Doch in der Praxis sind die Möglichkeiten der Stadt beschränkt: Sie kann günstige Rahmenbedingungen schaffen – doch das wirtschaftliche Überleben der kleinen Nachbarschaftsläden garantieren kann sie nicht. Immerhin werden mittlerweile mit Bebauungsplänen große Einkaufsmärkte in Gewerbegebieten verhindert.
Doch diese Bemühungen werden durch einzelne Fehlentscheidungen konterkariert: Das Einkaufszentrum „Skyline Plaza“ an der Messe droht den verbliebenen Geschäften im Gallus und in Bockenheim den Rest zu geben. Und sollte im Stadtnorden tatsächlich ein Segmüller-Möbelhaus gebaut werden, dann wird es nach der Einschätzung von Experten in der City kein Porzellan und keine Haushaltswaren mehr zu kaufen geben. Deshalb muss die Stadtpolitik das Einzelhandelskonzept ernst nehmen. Nicht nur in der Theorie.
Stadt macht das Einzelhandelskonzept verbindlich
Von Günter Murr
Mit einer gezielten Planungspolitik will die Stadt der Verödung der Stadtteile entgegenwirken. Neue Einzelhandelsgeschäfte sollen künftig bis auf wenige Ausnahmen nur noch in der City oder in den Zentren der Ortsteile angesiedelt werden. Dieser Ansatz, der seit 2003 in einem dreiteiligen Einzelhandelskonzept entwickelt wurde, soll jetzt durch einen Beschluss des Stadtparlaments zur verbindlichen Grundlage der städtischen Politik werden.
Planungsdezernent Edwin Schwarz (CDU) hat den Stadtverordneten sogar eine so genannte „Frankfurter Sortimentsliste“ vorgelegt, in der aufgeführt wird, welche Produkte künftig ausschließlich in zentraler Lage verkauft werden dürfen. Dazu zählen Lebensmittel, Bekleidung, Haushalts- und Schreibwaren. Für Möbel, Autozubehör oder Computer gilt diese Einschränkung nicht. Diese Artikel dürfen auch am Stadtrand oder in Gewerbegebieten angeboten werden. In künftigen Bebauungsplänen soll die Sortimentsbeschränkung festgeschrieben werden.
Das Problem ist bekannt: In den Stadtteilen geben immer mehr Geschäfte auf, Supermärkte ziehen in größere Gebäude mit ausreichend Parkplätzen, am Stadtrand oder an den großen Einfallstraßen entstehen kleinere Einkaufszentren. Die alten Läden stehen leer oder werden von Billig-Anbietern übernommen. Als Folge dieser Entwicklung ist in vielen Vierteln die Nahversorgung bedroht. Für den täglichen Einkauf müssen viele Frankfurter weite Wege zurücklegen. Gleichzeitig drohen die alten Ortskerne zu veröden.
Seit Jahren sucht die Stadt zusammen mit dem Einzelhandelsverband sowie der Industrie- und Handelskammer (IHK) nach Lösungsmöglichkeiten. Gutachten wurden erstellt, Konferenzen abgehalten. In der Theorie waren sich alle einig, dass die Innenstadt und die Stadtteilzentren gestärkt werden müssten. Die Praxis sah anders aus. In Nieder-Eschbach zum Beispiel entstand Ikea, wo zu einem erheblichen Anteil Haushaltswaren angeboten werden, die an sich nur in den Zentren zulässig wären. In Griesheim wächst das Fachmarktzentrum an der Mainzer Landstraße, an der Borsigallee in Bergen-Enkheim ist still und heimlich eine Ansammlung von Einkaufsmärkten entstanden. Mit dem Skyline Plaza (ehemals UEC) im Europaviertel wurde ein neue Einkaufszentrum abseits der gewachsenen Bebauung genehmigt. Auch auf dem Honsell-Dreieck im Ostend ist eine größere Einzelhandelsfläche zu erwarten.
Darauf will die Stadt auch künftig nicht verzichten. Es bestehe die Möglichkeit, „dass auch neue Standorte unter Beachtung der Prinzipien des Einzelhandelskonzeptes entwickelt werden“, heißt es in der Magistratsvorlage. In begründeten Ausnahmefällen können auch einzelne Läden, zum Beispiel Supermärkte, auch außerhalb der Zentren zugelassen werden. Grundsätzlich sollen aber die Ziel des Einzelhandelskonzeptes Vorrang haben vor den Interessen von Investoren und Betreibern.
Die Autoren des Einzelhandelskonzepts haben in Frankfurt 56 Zentren und fünf Fachmarktansammlungen ausgemacht. Das einzige Zentrum der Kategorie A ist die City. In die Kategorie B (mindestens 25 Betriebe, 10 000 Quadratmeter Verkaufsfläche) fallen Berger, Leipziger und Schweizer Straße, Nordwestzentrum, Hessen-Center, Höchst und der Flughafen. Zu den C-Zentren (mindestens zehn Betriebe, 2000 Quadratmeter Verkaufsfläche) zählen Stadtteile wie Gallus, Oberrad, Schwanheim, Griesheim oder Rödelheim. In die kleinste Kategorie D (mindestens fünf Betriebe, 700 Quadratmeter Verkaufsfläche) fallen Stadtteile wie Hausen, Praunheim, Bonames oder Kalbach.
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