06.10.2008
Die Nacht zum Einkaufstag gemacht
Es gibt etwas, dafür begeistern sich Frauen noch ein wenig mehr als fürs Einkaufen. Für Sänger wie Fady Maalouf, den libanesisch-deutschen Liebling aus dem Deutschland-sucht-den-Superstar-Aufgebot, lassen viele von ihnen sogar einen Schuhladen links liegen und ignorieren, dass durchgemachte Nächte die Hautalterung unwiderruflich vorantreiben.
Das ist eine der Lehren, die ziehen konnte, wer sich am Wochenende zur Geburtstagsparty im Nordwestzentrum gesellte. In 24 Stunden pausenlosem Einkaufsspaß, mit dem das Zentrum am Samstag von 0 Uhr bis 24 Uhr seinen 40. Geburtstag feierte, ließ sich viel lernen über Kunden, Fans und Feierlaune.
Allen voran die Erkenntnis, dass der vorangegangene Feiertag eindeutig ein zu langer war. Nicht arbeiten zu müssen, der Deutschen Einheit wegen, das passt allen gut. Nicht einkaufen zu dürfen, das scheint doch zu viel. In langen Schlangen standen die nach Neuem und Notwendigem ausgedürsteten Kunden deshalb schon vor 0 Uhr vor den Ladentüren im Zentrum. Kaum, dass sie sich noch vom Eröffnungsfeuerwerk ablenken ließen, stürmten sie die Läden. Wer zu spät kam, wartete lange vor dem schon gefüllten Parkhaus oder suchte in den Straßen nach einem Parkplatz. Da hatten die Pünktlichen schon Pullover, Jacken, Schuhe, neue MP 3-Player, Fotoapparate und Parfüm in ihren Tüten.
Gebraucht, so besagt eine weitere Lehre aus dieser Nacht, wird selbst zu früher Morgenstunde fast alles. Vor allem nach Technik und Mode steht dann der Sinn. Bücher verkauften sich in den ersten zwei Stunden des Einkaufsmarathons vor allem deshalb so gut, weil es nebenan einfach zu voll war. 40 000 in den ersten zwei Stunden – da blieb keine Kasse ohne Schlange. Nur Töpfe und Handys, so das Resümee, waren nachts überhaupt nicht gefragt. Im Zoohaus Haindl hingegen herrschte durchweg Betrieb. Da staunte selbst der Chef. Alles, vom edlen Hundehalsband bis zum Meerschweinchenfutter, habe er schon verkauft, erzählte er morgens um halb sechs. Um die Zeit waren die übrigen Läden fast leer. Toom, Peek & Cloppenburg und andere hatten mangels Kunden sogar für ein, zwei Stündchen geschlossen, um die Auslagen auf den Samstagsansturm vorzubereiten.
Und auch, um ihren Verkäuferinnen eine Verschnaufpause zu gönnen. Doch viel Fürsorge für das Personal war in der langen Shopping-Nacht nicht zu erkennen. Auch so eine Erkenntnis. Für die Verkäuferinnen und Verkäufer hatte niemand vorgesorgt. Kein erfrischendes Büfett irgendwo hinter den Kulissen, keine weiche Matratze für ein Päuschen in den Personalräumen. Mitleid, weil die Kassierer über Stunden die Beschallung von den Disco-Bühnen über sich ergehen lassen mussten, zeigte ohnehin keiner. Sonderhonorar und die ein oder andere Tasse Kaffee mussten über alle Strapazen hinweghelfen und über Schichten von bis zu zwölf Stunden.
Das schaffte auch der Anblick von Fady Maalouf und Linda Teodosiu. Beide haben, das konnte nun lernen, wer noch niemals «Deutschland sucht den Superstar» gesehen hat, ungeheuer aufputschende Wirkung. Alina und Julia jedenfalls verspürten keinerlei Müdigkeit, dabei stand Fady Maalouf, ihr «Superstar der Herzen», erst um 2.45 Uhr auf der Bühne. In ihren selbst bemalten «Fady»-T-Shirts schafften es die beiden Heidelbergerinnen ganz vorne in die erste Reihe, hielten trotz der Enge tapfer ihre Plakat-Liebeserklärung in die Höhe. Jede Bewegung, jeden Ton verfolgten sie wie beseelt. Und eilten, als sie nach dem letzten Stück wieder zu sich gekommen waren, zur Autogrammstunde. Der Frankfurter Onkel Norbert Wolf ließ die Nichten auch um kurz vor vier noch geduldig gewähren.
Da standen auch Andrea (32), Petra (45) und ihre Begleiterin in der Autogrammschlange. Allerdings ohne Erfolg. Dennoch fuhren sie vollauf zufrieden ins 420 Kilometer entfernte Oldenburg zurück. «Fady ist live noch viel besser. Und mit seinen Liedern kommen wir hellwach nach Hause», schwärmte Andrea. Die drei Frauen hatten sich im Internet-Fan-Forum des 29 Jahre alten Sängers kennengelernt, dessen Karriere es nicht geschadet hat, dass er es in der Casting-Show nur auf den zweiten Platz geschafft hatte. Und den die Frauen lieben, auch wenn er mit einem Mann verheiratet ist. Nur seinetwegen, schworen die drei Oldenburgerinnen, seien sie nach Frankfurt gefahren. Die Läden interessierten sie nicht. Wenn Fady in der Nähe ist, locke nicht einmal ein klitzekleines Paar Schuhe . . .
Doch dafür war es ohnehin zu spät. Eine eher enttäuschende Lehre einer langen Einkaufsnacht. Zwar schienen die Einkaufsbedingungen um halb sechs Uhr morgens optimal. Alle Läden hatte man nahezu für sich allein. Aber dafür waren die Füße nach den vielen Runden durchs Zentrum für jede Anprobe zu geschwollen.
Die meisten Männer, auch das ließ sich in dieser Nacht erfahren, verbrachten die Nacht weitaus angenehmer. Was sie wollten, gab es vor den Läden: Ein paar Schoppen Bier mit den Kumpels, den Anblick schöner Frauen, laute Musik zum Wachbleiben. «Alles locker hier», erklärte ein Maschinenbau-Student, was ihn ins Zentrum trieb. Wie manch anderer Zecher verfolgte er nur ein Ziel: Durchhalten bis zum Frühschoppen! Das vereitelte in manchen Fällen die Polizei. Wer allzu voll und müde durch die Gegend torkelte, flog raus. Wer tatsächlich den nächsten Morgen erlebte, dem war dann spätestens um 10 Uhr nach Gehen. Denn da kam ja schon die nächste Schicht: Ausgeschlafene Frankfurter mit langen Einkaufslisten und voller Vorfreude auf die zweite Konzertnacht am Abend. Diese Kunden blieben in der Regel nur ein wenig länger als normal. Um 0 Uhr ging die große Geburtstagsparty, zu der insgesamt 120 000 Besucher gekommen waren, mit großem Feuerwerk zu Ende.
Von Inga Janovic
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