10.10.2008
Das neue Musterkind
Vor drei Jahren erst war die Heinrich-Lübke-Siedlung auf traurige Weise berühmt. Zwischen den Hochhäusern war es für Passanten so gefährlich geworden, dass ein privater Sicherheitsdienst für Ordnung sorgen musste.
Nun soll sie zum möglichst europaweit beachteten Vorzeigeprojekt werden. Die ABG Frankfurt Holding und die Stadtplaner vom Büro ASP Albert Speer und Partner haben sich vorgenommen, aus der 70er- Jahre-Siedlung mit ihren 700 Sozialwohnungen ein ökologisch vorbildliches Musterkind zu machen.
«Die Idee wurde erst jetzt auf der Immobilien-Messe Expo Real in München geboren», erzählt ABG-Chef Frank Junker. Dort hatten die Planer von ASP ein wenig mehr über ihre Studie «2030 – Frankfurt für alle» verraten, an der sie gerade gemeinsam mit der Stiftung Polytechnische Gesellschaft arbeiten. Unter verschiedenen Aspekten wird darin überlegt, wie die Stadt der Zukunft aussehen könnte, was sie bieten sollte. «Natürlich sind dabei auch Nachhaltigkeit und umweltverträgliches Bauen ein wichtiges Thema», sagt Michael Denkel von ASP. Und schon war die Idee geboren. Eines der zwei «Leitprojekte», die möglichst oft Schule machen sollen, könnte die Heinrich-Lüpke-Siedlung werden. Denn anhand von konkreten Vorhaben wollen die Stadtplaner zeigen, wie die ökologisch verträgliche Stadt der Zukunft gebaut sein müsste. Zwei Musterbeispiele sollen entstehen: Eine ganz neue und eine schon bestehende Siedlung.
«In beiden Fällen könnten wir die perfekten Partner sein», wirbt Junker für die ABG. Bekäme die Wohnungsbaugesellschaft tatsächlich den Zuschlag, den leer werdenden Campus Bockenheim neu zu bebauen, könnte man dort entsprechend den Speer-Vorschlägen hohe ökologische Standards anwenden. «Wir haben im Bau von Passivhäusern schon eine Menge Erfahrungen», so Junker. Als künftige Öko-Mustersiedlung, die im Zuge einer Sanierung entstehen kann, hat der ABG-Chef die Praunheimer Lüpke-Siedlung vorgeschlagen.
«Dort hätten wir ohnehin im nächsten Jahr angefangen, zu sanieren. Wir müssen es noch prüfen, aber die Siedlung könnte ideal sein», so Junker. Die Häuser aus dem Jahr 1977 hätten eine recht gute Bausubstanz, sie stehen nicht allzu dicht, dazwischen liegen etliche Grünflächen. Auch die Nähe zur Nidda ist ein schon bestehender Öko-Bonus. «Aber es wäre eine doppelte Herausforderung. In technischer und der sozialer Hinsicht.»
Technisch muss nun abgewogen werden, was alles möglich ist. «Wir werden untersuchen, ob man die Hochhäuser nach Passivhausstandard umrüsten kann oder was sonst technisch möglich ist», sagt Junker. In jedem Fall soll der Energieverbrauch optimiert werden. Dazu gehören neben der Isolierung und Heizung der Häuser, sondern auch die Nutzung von Zu- und Abwasser, Regenwassermanagement.
«Aber die bauliche Seite ist nur ein Aspekt einer solchen Mustersiedlung» erklärt Denkel. Nachhaltiges Bauen umfasse ebenso die soziale Seite: öffentliche Einrichtungen, Dienstleistungsangebote für Bewohner, Sport- und Freizeitmöglichkeiten, Verkehrsplanung für Fußgänger, Rad- und Autofahrer.
Ob die ABG den Umbau der Siedlung tatsächlich mit ASP umsetzt oder nur nach den Empfehlungen der Städteplaner arbeitet, steht noch nicht fest. Auch was auf die Bewohner zukommt, weiß noch niemand. Bis zum Ende des Jahres, kündigte Junker an, werde alles konkreter. Und im nächsten Jahr soll es schon losgehen. ing
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